- Stoffkreisläufe und Nährstoffhaushalt
- Stoffkreisläufe und NährstoffhaushaltIn einem Ökosystem sind, wie wir gesehen haben, Pflanzen, Tiere und Saprobionten miteinander vergesellschaftet, und jede der drei Gruppen ist in ihrer Ernährung und der davon abhängigen Fortpflanzungsrate auf die natürlichen Ressourcen des Ökosystems angewiesen. Im Lauf der Zeit muss sich ein Gleichgewicht von Nahrungsangebot und Nahrungsverbrauch einstellen, in das alle Glieder des Ökosystems einbezogen sind. Da eine Landschaft, die ein bestimmtes Ökosystem beherbergt, nur eine begrenzte Menge an Nährstoffen bereitstellen kann, müssen sich Kreislaufprozesse entwickeln, in denen die Vorräte nach Gebrauch, nachdem sie also als Nahrung gedient haben und später als Kot ausgeschieden wurden oder nachdem die Lebewesen gestorben sind, rezyklisiert werden, damit sie anderen Lebewesen erneut zur Verfügung stehen. Diese Aufgabe erfüllen die Nahrungsketten, an deren Ende wieder die Ausgangsstoffe entstehen.Natürlich können bei solchen Kreisläufen Substanzverluste in einem Ökosystem auftreten, wenn beispielsweise organische Reststoffe mineralisiert werden und ein gewisser Anteil der zurückgewonnenen Mineralien mit dem Regenwasser so tief in den Boden eingespült wird, dass die Pflanzenwurzeln sie nicht mehr erreichen. Ökosysteme können jedoch nicht nur Substanzverluste erleiden (Output), sie können ebenso gut Substanzgewinne verzeichnen (Input), etwa durch Gesteinsverwitterung, durch angewehten Staub oder durch Stoffe, die im Regenwasser gelöst sind. Ein- und Austräge stellen somit zusätzlich zu den Stoffvorräten sehr wichtige Größen für ein Ökosystem dar.Da an diesen Nährstoffkreisläufen in Ökosystemen sowohl belebte (biotische) als auch unbelebte (abiotische) Komponenten beteiligt sind, werden sie auch als biogeochemische Stoffkreisläufe bezeichnet. Meist setzen sich diese aus verschiedenen Teilkreisläufen zusammen, so beispielsweise einem Kreislauf im Wasser, in der Luft, im Boden oder in einem Lebewesen. Daher sind die Wege eines chemischen Elements durch solche biogeochemischen Stoffkreisläufe je nach Struktur der Nahrungsbeziehungen sehr unterschiedlich. Jedoch gibt es für das Wasser und die wichtigsten Elemente grundsätzliche Schemata ihrer Kreisläufe in verschiedenen Ökosystemen, die in vielen Fällen durch Einsatz radioaktiver Isotope ermittelt werden konnten.Der Kreislauf des KohlenstoffsDie Erde verfügt über mehrere wichtige Kohlenstoffspeicher. Dazu gehört das Kohlendioxid der Atmosphäre, das dort in einer Konzentration von etwa 0,035 Prozent vorliegt. Das entspricht einer Gesamtmasse von etwa 2,72 · 1012 Tonnen (also 2,72 Millionen Megatonnen) Kohlendioxid. Etwa das Siebzigfache des atmosphärischen Kohlendioxidgehalts ruht in den Ozeanen, wo der Kohlenstoff hauptsächlich als Carbonat und Bicarbonat vorkommt. Auf dem Festland bildet Kohlenstoff — in gebundener Form — große Lager von Kalk, Dolomit und anderen Carbonaten. Schließlich ist er in Lagerstätten fossiler Brennstoffe fixiert, wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Außerdem bildet der Humus des Bodens ein wichtiges Kohlenstoffreservoir, das rascher in den Kohlenstoffkreislauf einbezogen wird als die anderen Kohlenstoffspeicher des Festlands. Schließlich sind die Lebewesen selbst ein Kohlenstoffspeicher, in dem der Kohlenstoff je nach Art der Lebewesen unterschiedlich lange fixiert ist, zum Beispiel kurz im einjährigen Klatschmohn und lange in jahrhundertealten Bäumen. Die Lebewesen setzen bei der Atmung ständig Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid frei; grüne Pflanzen binden ihn wieder durch Photosynthese.Neben diesem Kreislauf, der sich vorzugsweise zwischen Landpflanzen und Atmosphäre abspielt, findet ein weitaus größerer Kohlendioxidkreislauf zwischen den Ozeanen mit ihren Algen und der Atmosphäre statt. Der Austausch geologisch gebundenen Kohlenstoffs mit der Atmosphäre fällt demgegenüber bescheiden aus. Gestört wird dieser weitgehend ausbalancierte, globale Kohlenstoffkreislauf besonders durch die zunehmende Verfeuerung fossiler Brennstoffe während des 20. Jahrhunderts sowie durch den Ersatz langlebiger natürlicher Ökosysteme, wie Wälder, durch die kurzlebigen, künstlichen Ökosysteme des Ackerbaus und den damit verbundenen beschleunigten Humusabbau infolge Bodenlockerung.Der Kreislauf des SauerstoffsDie Sauerstoffreservoire der Erde sind ungleich größer als die des Kohlenstoffs. Allein die Luft enthält etwa 21 Prozent Sauerstoff. Die Ozeane enthalten Sauerstoff sowohl in gelöster als auch in chemisch gebundener Form. Schließlich bilden geologische Formationen ein riesiges Sauerstoffreservoir, in dem Sauerstoff in Form von Silicaten und Metalloxiden gebunden vorliegt. Der über die Lebewesen regulierte Sauerstoffkreislauf ist ganz eng an denjenigen des Kohlenstoffs gekoppelt, denn bei der Photosynthese entsteht im gleichen Maße Sauerstoff aus Wasser wie Kohlenstoff gebunden wird. Bei der Atmung wiederum verbrauchen die Lebewesen Sauerstoff, um ihn an Kohlenstoff zu binden.Im Verlauf der Erdgeschichte wurde sehr viel mehr Sauerstoff durch die Photosynthese von Cyanobakterien und grünen Pflanzen freigesetzt, als die Organismen durch Atmung verbrauchten. Dadurch reicherte sich Sauerstoff in der zuvor sauerstofffreien Atmosphäre an. Nur als Folge davon konnte sich in der Stratosphäre die für alle Landlebewesen so wichtige Ozonschicht ausbilden, die vor zu starker UV-Einstrahlung schützt. Freier Sauerstoff in der Atmosphäre ermöglichte außerdem die Entstehung von Metalloxiden und anderen sauerstoffhaltigen Verwitterungsprodukten der Erdkruste. Der heute durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe gesteigerte Sauerstoffverbrauch fällt gegenüber dem gewaltigen Sauerstoffreservoir der Atmosphäre praktisch nicht ins Gewicht, das heißt, der Mehrverbrauch an Sauerstoff beträgt nur einen Bruchteil eines Prozents des atmosphärischen Sauerstoffvorrats.Der Kreislauf des StickstoffsWegen seiner elementaren Bedeutung für den Aufbau von Proteinen und Nucleinsäuren spielt das Angebot an verwertbarem Stickstoff für Lebewesen eine besondere Rolle. Das größte Stickstoffreservoir bildet die Erdatmosphäre mit einem Gehalt von etwa 78 Prozent. Den Luftstickstoff können jedoch die meisten Lebewesen nicht unmittelbar nutzen, weil sie ihn nur in Form von stickstoffhaltigen Ionen in körpereigene Stoffe einbauen können. Am Beginn des Stickstoffkreislaufs steht deshalb stets die Überführung des Luftstickstoffs in eine für Lebewesen verfügbare Form, vorzugsweise in Ammoniumionen (NH4+). Dazu sind verschiedene Bakterienarten befähigt, so zum Beispiel Bakterien der Gattungen Azotobakter und Clostridium sowie die Purpurbakterien, die zum Teil frei im Boden leben, oder solche Bakterien, die mit den Wurzeln höherer Pflanzen in Symbiose zusammenleben, wie etwa Bakterien der Gattung Rhizobium sowie die Actinomyceten (Strahlenpilze).Der durch diese Mikroorganismen reduzierte Stickstoff kann wiederum durch Bodenbakterien in Nitrat umgewandelt werden. Nitrat entsteht jedoch auch bei elektrischen Entladungen in der Luft, von wo aus es mit dem Regenwasser in den Boden gelangt. Sowohl Nitrate als auch Ammoniumverbindungen können von den Pflanzen aufgenommen werden. In den Pflanzenzellen werden Nitrate zunächst reduziert, um dann, ebenso wie Ammoniumionen, zur Bildung von Aminosäuren genutzt zu werden. Heterotrophe Organismen nehmen die organischen Stickstoffverbindungen der Pflanzen mit der Nahrung auf und bauen sie zu körpereigenen Stickstoffverbindungen um. Aus verwesenden Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen werden im Boden erneut Ammoniumverbindungen freigesetzt, die wiederum von Pflanzen aufgenommen werden können. Überschüssige wasserlösliche Stickstoffverbindungen im Boden werden mit dem Regenwasser in das Grundwasser gespült, dessen Qualität sich damit verschlechtert. Speziell unter Sauerstoffmangel können denitrifizierende Bakterien die Nitrate durch Reduktion in Lachgas (Distickstoffoxid) oder in elementaren Stickstoff umwandeln, die als Gase den Boden verlassen.In den natürlichen Stickstoffkreislauf greift der Mensch durch den Anbau moderner Kulturpflanzensorten ein. Deren besonders hoher Stickstoffbedarf zwingt zu extremer Stickstoffdüngung. Dadurch werden nicht selten Oberflächengewässer und Grundwasser mit Stickstoffverbindungen belastet.Der Kreislauf des SchwefelsDer für den Aufbau bestimmter Aminosäuren (beispielsweise Methionin, Cystein und Glutathion) unverzichtbare Schwefel wird als Sulfat aus dem Boden aufgenommen. Die Blätter überführen das Sulfat in organisch gebundene Thiolgruppen (SH-Gruppen). Heterotrophe Organismen nehmen diese schwefelhaltigen Verbindungen mit der Nahrung auf und bauen sie in körpereigene Proteine ein. Aus verwesenden Organismen werden zunächst Sulfide frei, die von Mikroorganismen unter Sauerstoffzutritt zu Sulfaten oxidiert werden. Erst die Sulfate können erneut von Pflanzen aufgenommen werden. Unter Sauerstoffmangel können die desulfurierenden Bakterien Sulfat zu Sulfid reduzieren, das weitgehend wasserunlöslich im Boden verbleibt. Erst erneute mikrobielle Oxidation zu Sulfat lässt den Schwefel wieder in den Stoffkreislauf eintreten.Der Kreislauf des PhosphorsPhosphor nehmen die Pflanzen bevorzugt als primäres Phosphat (Dihydrogenphosphat, H2PO4-) auf. In dieser Form können sie es unmittelbar in Nucleinsäuren sowie in Adenosintriphosphat (ATP), den wichtigsten Energieüberträger in den Zellen, einbauen. Heterotrophe Organismen nehmen das pflanzliche Phosphat mit der Nahrung auf und bauen es in körpereigene Stoffe ein. Beim mikrobiellen Abbau organischer Reststoffe wird das Phosphat sofort wieder in seiner ursprünglichen anorganischen Form freigesetzt und steht ohne weitere chemische Umwandlungen zur Aufnahme durch Pflanzen bereit. Ein gewisser Teil des Phosphats kann durch Regenwasser aus dem Boden ausgewaschen werden und gelangt über Bäche und Flüsse in das Meer. In basischen Böden fällt Phosphat als schwer lösliches tertiäres Phosphat aus. In dieser Form kann es nicht mehr am Phosphatkreislauf teilnehmen. Erst die Verwitterung phosphathaltiger Mineralien setzt erneut pflanzenverfügbares Phosphat frei: In diesem Fall sind es also nicht mikrobielle Vorgänge, sondern physikalische und chemische Verwitterungsvorgänge, die das Phosphat wieder in den Stoffkreislauf einschleusen.Durch Phosphatdüngung, Verwendung phosphathaltiger Waschmittel, Phosphatzusätze bei der Wurstherstellung und andere Prozesse gelangen mehr Phosphate in die Gewässer als im natürlichen Phosphatkreislauf. Phosphate wirken zwar nicht giftig, sie tragen aber ebenso wie Nitrate zur Eutrophierung der Gewässer bei.Prof. Dr. Günter Fellenberg, WolfsburgWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Ökosystem: Störungen und RegulationGrundlegende Informationen finden Sie unter:Ökosystem: Struktur der NahrungsbeziehungenBegon, Michael, u. a.: Ökologie. Aus dem Englischen. Neuausgabe Heidelberg u. a. 1998.Klötzli, Frank: Ökosysteme. Aufbau, Funktionen, Störungen. Stuttgart u. a. 31993.Lovelock, James: Gaia. Die Erde ist ein Lebewesen. Anatomie und Physiologie des Organismus Erde. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe München 1996.Mit der Erde leben. Beiträge geologischer Dienste zur Daseinsvorsorge und nachhaltigen Entwicklung, herausgegeben von Friedrich-Wilhelm Wellmer u. a. Berlin u. a. 1999.Natur- und Umweltschutz. Ökologische Grundlagen, Methoden, Umsetzung, herausgegeben von Lore Steubing u. a. Jena u. a. 1995.Odum, Eugene P.: Ökologie. Grundlagen, Standorte, Anwendung. Aus dem Englischen. Stuttgart u. a. 31999.Odum, Eugene P. / Reichholf, Josef: Ökologie. Grundbegriffe, Verknüpfungen, Perspektiven. Brücke zwischen den Natur- und Sozialwissenschaften. Aus dem Englischen. München u. a. 41980.Osteroth, Dieter: Biomasse. Rückkehr zum ökologischen Gleichgewicht. Berlin u. a. 1992.Schaefer, Matthias: Ökologie. Jena 31992.Stoffkreisläufe in natürlichen und industriellen Prozessen, herausgegeben von Gerhard Thews und Carlo Servatius. Stuttgart u. a. 1997.Das Überlebensprinzip. Ökologie und Evolution, bearbeitet von Hinrich Bäsemann u. a. Hamburg 1992.
Universal-Lexikon. 2012.